Dich erwartet eine Tour de Farce durch den Indie-Rock der 80er und 90er, mit ein paar verwegenen Abstechern: Es werden sicher ganz unvermittelt einige große Namen auftauchen, nur um kurz darauf in dem heillosen Durcheinander gnadenlos unterzugehen.
Wie jetzt, völlig kopflos? Mitnichten, alles kommt streng alphabetisch von A–Z auf den Plattenteller, wegen des 25er-Limits allerdings ohne das X. Und die Abteilung Q präsentiert sich in meinem Plattenschrank leider in gähnender Leere (Don’t Stop Me Now, Laurenz!), dafür ziehe ich den Joker und spiele das P wie Pille gleich doppelt. Natürlich zwei verschiedene Songs – sogar Bands. So, jetzt aber: Einsteigen, anschnallen … es sind nur noch wenige Plätze frei … und los geht die wilde Fahrt!
Nach 25 Songs ist Schluss, weil der Pille sagt: „Das muss.“
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Hier ein paar Eindrücke vom Abend
Fotos: © Rolf Brandt, Thomas Hoeps, Michael Margos, Frank Mevissen und Reinhold Janowitz
Und da ist sie, die komplette Playlist des Abends:
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Alle Gäste des Abends konnten per Handy meinen 25 Top-Titeln 0 bis 12 Punkte geben. Die Wahlbeteiligung war, wie immer, wenn es den Menschen zu gut geht, miserabel. Trotzdem habe ich ausgewertet und das Ranking der Titel erstellt.
Das Ergebnis muss ich allerdings noch einige Zeit verdauen. Meine geliebten Pixies und – vor allem die aufstrebende und geniale Sophia Kennedy auf die hinteren Plätzen zu verbannen, beweist, dass die meisten Gäste des Abend mal wieder keine Ahnung von guter Musik haben (Du, der das hier liest, bist natürlich ausgenommen – denn das hier lesen sowieso nur Nerds). Über Sophias Debütalbum schrieb die Intro, Magazin für Popkultur: „Die Vibes der Platte ähneln denen eines vergessenen Meisterwerks aus der goldenen Ära der Songwriter-Kunst und vertragen sich mit den Kniffen und Klängen des postmodernen Pop bestens.“ (siehe 11., weiter unten). Jedem, der es bis jetzt noch nicht verstanden hat, rate ich daher: Hört mehr Sophia Kennedy – vom mir aus auf Spotify. Anschließend kauft Ihr sowieso eins ihrer Alben, oder gleich beide. Vielleicht lag es auch nur an der extrem starken Konkurrenz – ja, genau, das wird es gewesen sein …
Blondie hätte auch besser punkten müssen, sooo ein schöner Song. Aber wie gesagt.
Mit dem Platz 1 des Votings komme ich allerdings sehr gut zurecht. „Soul Mining“ von The The ist mein Album für die Insel. Schön, dass diese Qualität erkannt wurde.
Die Charts von „Best of Plattenschank – diesmal mit Reinhold“ vom 25.5.2023, gevotet von den Gästen des Abends:
Platz | Band | Titel | Punkte |
---|---|---|---|
1 | The The | Uncertain Smile | 120 |
2 | Cure | Fascination Street | 102 |
3 | Rolling Stones | Emotional Rescue | 99 |
4 | World Party | Is It Like Today? | 92 |
5 | Violent Femmes | No Killing | 88 |
6 | Notwist | Lineri | 84 |
7 | Jane’s Addiction | Mountain Song | 80 |
8 | firehose | Making The Freeway | 75 |
Sonic Youth | Kool Thing | 75 | |
10 | Union Carbide Productions | Golden Age | 70 |
11 | My Bloody Valentine | soon | 69 |
12 | Blondie | Angels On The Balcony | 65 |
Frank Zappa | I Have Been In You | 65 | |
14 | Leningrad Cowboys | Those Were The Days | 64 |
15 | Element of Crime | Kein Schwein auf dem Tisch | 63 |
16 | Primal Scream | Higher Than The Sun (feat. Jah Wobble) – A Dub Symphony in Two Parts | 62 |
Young Gods | Skinflowers | 62 | |
18 | Sinéad O’Connor | I Am Stretched on Your Grave | 59 |
19 | Dinosaur Jr. | On the Way | 57 |
Gallon Drunk | Some Fool’s Mess | 57 | |
Ideal | Telephon | 57 | |
22 | Hüsker Dü | Green Eyes | 48 |
23 | Pixies | Vamos | 45 |
24 | ABBA | Intermezzo No. 1 | 44 |
25 | Sophia Kennedy | Being Special | 43 |
Jetzt gibt es die Top 25 auch als Spotify Playlist:
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Schließlich noch für die, die bis hierher dran geblieben sind, meine Gedanken zu jedem einzelnen Song in der alphabetischen Reihenfolge, wie ich sie am 25.5. in der Kulturrampe Krefeld aufgelegt habe:
- Abba „Intermezzo No. 1, 1976
Kindheit: erste Berührung mit moderner Popmusik: The very best of ABBA – Abba’s greatest Hits. Meine erste LP , „Musikladen“, 1976 (ich zarte 8 Jahre), gleich ein Doppelalbum, so eine Art Retrospektive. Ich erspare Euch die Ohrwürmer, hab noch mal durchgehört und eine Entdeckung gemacht: Gott sei Dank ein Instrumental-Stück „Intermezzo No. 1“, der perfekte Opener für meinen Ritt durch den Plattenschrank. - Blondie „Angels on the Balcony“, 1980
Es war Liebe auf das erste Hören, auf dem Straßenfest in unserer Siedlung in St. Tönis hatte jemand die Single „Heart of Glass“ von Blondie, ich war paralysiert … bis heute übrigens. Hier gibt es jetzt „Angels on the Balcony“ vom 1980er Album „Autoamerican“. Der Opener „Europa“ dieses Albums wäre fast auch der Opener meines Sets geworden, aber aller Anfang war nun mal ABBA. - The Cure „Fascination Street“, 1989
Mit dem Stück huldige ich meinem WG-Kumpel und Wehrdienst-Veteranen Stefan. Seine Liebe zu den melancholisch-düsteren Songs der Band um Robert Smith hat mir deren Qualitäten näher gebracht. Wir waren als Panzergrenadiere fern der Heimat in Varel am Jadebusen kaserniert, in 15 Monaten auf 18 Übungen, eigentlich immer im Dreck – da kann man schon mal Depressionen kriegen. Und der Robert und das Jever-Bier spendeten uns genau den Trost, den wir dringend brauchten. - Dinosaur Jr. „On the way“, 1993
Mit The Cure war die Tür in die dunklen Höhlen der Indie-Welt aufgetreten … der Einstieg ins Design-Studium an der damaligen FH Niederrhein und die neue Bekanntschaft mit Typen wie Horst und Laurenz tat den Rest dazu: Es gab täglich neue Bands zu entdecken. Eine davon waren Dinosaur Jr. mit ihrem Mastermind J Mascis. Herrlicher Gitarrenkrach, kombiniert mit der knarzigen Stimme von Mascis. Wichtige Wegbereiter des Indie-Rock sind sie ganz sicher, wenn auch nie kommerziell besonders erfolgreich.
Ich lege Euch die tolle Rockpalast-Doku „Freakscene – The Story of Dinosaur Jr.“ ans Herz, die Laurenz mir vor einiger Zeit zugeschanzt hat.
https://www.ardmediathek.de/video/rockpalast/freakscene-the-story-of-dinosaur-jr/wdr/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLTdkN2E5YzA0LWE5ZWEtNDgyNS1iOGU4LTk4Y2Q1NjU4MzYxYg - Elemet of Crime „Kein Schwein auf dem Tisch“, 1991
Deutsche Texte, wunderbare Melodien und immer wieder Bläser. Sven Regener und Band schaffen verschrobene Kleinode, die mit guten Texten eine ganz eigene Welt schaffen, in der ich mich wohl- oder übel fühle … Live gesehen irgendwann in den 90ern in der alten Kulturfabrik am Diessemer Bruch. War gut! - firehose „Making the freeway“, 1987
Mike Watts und sein Erste-Reihe-funky-Baller-Bass sind für mich eine der spannendsten Entdeckungen am Beginn des Crossover-Hypes um Bands wie The Red Hot Chili Peppers. Ihm widmeten diese im Jahr 1991 Ihr Album „Blood Sugar Sex Magik“. „Making the freeway“ macht Appetit auf mehr, finde ich … - Gallon Drunk „Some Fools Mess“, 1991
Wunderbarer Blues-Punk in der Manier eines frühen Nick Cave, nur irgendwie noch kaputter. Ihr dunkler Wall of Sound kommt im dräuenden „Some Fools Mess“ gut zur Geltung. - Hüsker Dü „Green Eyes“, 1985
Muss man nicht viel zu sagen, gemeinsam und jeder für sich: Bob Mould und Grant Hart sind eine Legende des Alternative Rock. Ich hab mich für ein Grant Hart Stück ihrer gemeinsamen Zeit entschieden. - Ideal „Telephon“, 1980
Anette Humpe hat mit diesem Projekt die Neue Deutsche Welle miterfunden. 3 Alben haben gereicht, um sie in der modernen deutschen Musik unvergessen zu machen. Anfang diesen Jahres starb Ihr Schlagzeuger Hans-Joachim Behrendt, der als Perkussionist mit seinem eigenwilligen Schlagzeug-Stil den Charakter der Songs von Ideal maßgeblich prägte. Hören wir nun im stillen Gedenken: „Telephon“ von Ihrem Debütalbum. - Jane’s Addiction „Mountain Song“, 1988
Kommen wir nun zu etwas völlig anderem: Perry Farrell mixt in den 1980er Jahren aus Hardrock, Psychedelic Rock und Funk einen wilden Westcoast-Crossover. Sie verliehen ihren Gitarristen Dave Navarro an die Red Hot Chili Peppers, umgekehrt spielte aber auch der RHCP Bassist Flea bei ihnen. Darüber gibt es die wild-wahnsinnige Doku „Three Days“ von 2003, über deren Besitz ich mich ab und zu freue. - Sophia Kennedy „Being Special“, 2017
Ein Sprung im Raum-Zeit-Kontinuum: knapp 30 Jahre später höre ich auf Spotify – oder war es doch bytefm – die grandiose Sophia. Schon wieder schockverliebt. Was für eine Stimmgewalt und welch ein Songwriting-Talent – zumindest aus meiner unwissenden Warte. Mir gefällt der eigenwillige Stil der in Hamburg lebenden Amerikanerin. Die Intro, Magazin für Popkultur, schrieb über ihr Debütalbum: „Die Vibes der Platte ähneln denen eines vergessenen Meisterwerks aus der goldenen Ära der Songwriter-Kunst und vertragen sich mit den Kniffen und Klängen des postmodernen Pop bestens.“ - Leningrad Cowboys „Those were the Days“, 1991, eigentlich 1968
Ein Song von Mary Hopkin aus dem Jahr 1968, dessen Melodie auf einem russischen Lied beruht, 1989 von den Leningrad Cowboys gecovert – viele kennen Sie aus den wunderbaren Kaurismäki-Film Leningrad Cowboys Go America - My Bloody Valentine „Soon“, 1991
Vom zweiten Studioalbum der Shoegazing-Band. Beim ersten Hören dachte ich, irgendwas mit dem Riemen meines Dual-Plattenspielers sei nicht in Ordnung. Aber die meinen das so … und das ist auch gut so. - The Notwist „Lineri“, 2014
Und wieder nahezu Gegenwart: Die Soundfrickeleien mit elektronischen Einflüssen der Band aus Oberbayern ist in diesem Stück, das ich als Filmmusik in einem Tatort entdeckt habe – zumindest gaukelt mir das mein poröses Hirn (siehe auch Song 7 der kompletten Playlist) vor. - Sinéad O’Connor „I am stretched on your grave“, 1989
Die irische Heulsuse mit dem wirren Lebenslauf hat schon ein paar tolle Songs eingesingsangt. Einer meiner liebsten endet in einem furiosen folkloristisch irischen Geigenpart, der über einem Hip-Hop-Groove schwebt. Darauf ein Guiness, oder ein Alt. Slaínte! - Primal Scream „Higher than the sun“, 1991
„A Dub Symphony in two parts“ heißt es vielversprechend auf dem inzwischen ikonischen Cover des durchweg gelungenen Albums „Screamadelica“. „Higher than the sun“ ist die Drogenhymne der Rave-Generation der frühen 90er. Aber das entscheidendste daran: Jah Wobble pumpt den Bass. Möge uns dieser herrlich bekiffte Dub zwischernd, pfeifend und blubbernd der Sonne entgegen tragen … - Pixies „Vamos“, 1988
Auch Wahnsinn, nur mit ganz anderen Mitteln: „Surfer Rosa“, das Debut der Pixies. Für mich war die Entdeckung der Pixies: die Entdeckung der besten Band der Welt. - Rolling Stones „Emotional Rescue“, 1980
Der Song lief bei Mal Sondock’s „Diskothek im WDR“, ab 1981 wurde ich dann, wie viele von uns, abhängig von seiner Sendung „Mal Sondock’s Hitparade“. Aber dieser Song klang so gar nicht nach den Rolling Stones. Aber eben doch extrem cool. Ich liebe ihn bis heute. Das Album habe ich mir übrigens erst vor ein paar Jahren Second Hand in der Mönchengladbacher Vinyl Garage für ein paar Euro gekauft, und im Cover eine Entdeckung gemacht: Als Beilage gönnten die Stones ihren Fans ein Riesenposter der Thermografischen Fotos aus der ANTHROPOMETRIC MAN SERIES des Künstlers und Photographen Roy Adzak, Pseudonym von Royston Wright (britisch, 1927–1988). Sowas gibt’s nur bei Vinyl. - Spliff „Die Maurer“, 1982
Politisch unkorrekter Text, heute vermutlich ein NoGo – ich muss gestehen: Das waren schon andere Zeiten. Aber irgendwie auch gute. Die Mitglieder der ehemaligen Nina-Hagen-Band hatten damals Riesenhits mit „Carbonara“ vom Album „85555“ und „Das Blech“, auch auf diesem Album von 1982. Aber mich interessieren diese nicht so sehr. - The The „Uncertain Smile“, 1983
Mein Album für die einsame Insel. Wenn ich nur ein Album aus dem berennenden Plattenaschrank retten könnte – es wäre dieses. „Soul Mining“ hat alles: Tiefgründige Texte, starke Melodien, und ein Jazzpiano, das gar nicht mehr aufhören will.
Das Konzert der „Versus the World“-Tour in der Düsseldorfer Philipshalle am 7. September 1989 hat mir einen Tinnitus beschert, der mich wochenlang an diesen großartigen Auftritt erinnerte. - Union Carbide Productions „Golden Age“, 1991
Noch mal Blues-Anleihen, anders als bei den Gallon Drunk, aber eben doch in einer Form, die mir richtig gut gefällt. - Violent Femmes „No Killing“, 1986
Toller Song, in der schlichten und rohen Art vorgetragen, wie wir es von den Violent Femmes kennen und schätzen. - World Party „Is it like today“, 1993
Am Donnerstag morgen am 13. Mai 1993 um 2:30 Uhr lief „Is it like Today?“ im Radio. Sender weiß ich nicht, war ja auch nicht mein Radio. Sondern das der Entbindungsstation eines Duisburger Krankenhauses. Und genau in diesem Moment erblickte meine älteste Tochter Ella das Licht der Welt. Mitte Mai 2023 haben wir in Karlsruhe Ihren 30. gefeiert. Jetzt feiere ich noch mal sie und ihren Song! - Young Gods „Skinflower“, 1991
Diese krude Mischung aus brachialem Metal, elektronischen Einflüssen und massiver Schlagwerkarbeit , ich hab nachgelesen, Experten nennen das Genre Post-Industrial, der Schweizer Band durfte ich Anfang der 90er im Dornroosje in Nijmegen , zusammen mit Studienkollege Rainer Stolle, live erleben. - Frank Zappa „I have been in you“, 1979
So, und Buchstabe Z wie zack, schon kommen wir zum letzten Stück meines „Best of Plattenschrank“. 2 Stunden lang durfte ich jetzt mit meiner Musik in meine Gäste eindringen. Wer könnte über dieses erhebende Gefühl romantischer besingen als Frank Z wie Zappa. Aus dem Jahr 1979, dem Jahr, das mein Bruderherz für eines der wichtigsten in der Geschichte der modernen Pop- und Rockmusik hält. Guckt mal auf https://www.besteveralbums.com/yearstats.php?y=1979
Lieben Dank an Annette und Pille von der kulturrampe.de für die tolle Orga. Richtig gerührt hat mich das Schild am Eingang, das Annette in liebevoller Handarbeit für meinen Abend gemalt und gezimmert hatte:
2 Antworten zu “Best of Plattenschrank am 25. Mai 2023”
Cooles Projekt. Danke!
Der Dank gilt Pille von der Kulturrampe Krefeld. Der hatte die Idee und beim ersten Abend selbst die Turntables zum Rotieren gebracht. The Show must go on: Jeden letzten Donnerstag im Monat! Ich freue mich schon sehr auf den nächsten Termin mit Laurenz, am 29.6.: https://www.kulturrampe.de/termine?id=5376&year=2023&month=5
Laurenz war es auch, der mich einfach bei Pille angemeldet hat. Also gilt der Dank auch Laurenz 😉